Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 14. Dezember 1914

Die „Bergischen Arbeiterstimme“ kritisiert, dass in Wald Großunternehmen die Kriegssituation zur Lohndrückerei  und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ausnutzen.

   Wald. Lohnkürzungen sind seit Kriegsausbruch
an der Tagesordnung. Das war verständlich, so lange die
wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig oder doch zum größten
Teil darniederlagen. Angestellte und Arbeiter haben den ver-
änderten Situationen auch gern Rechnung getragen und auf
einen Teil des Lohnes freiwillig verzichtet. Natürlich geschah
dies in der bestimmten Erwartung, daß dies ein vorüber-
gehender Zustand und daß bei Wiederaufnahme der Arbeit die
Löhne wieder voll gezahlt würden. In sehr vielen Fällen sind
die Arbeiter in dieser Beziehung schwer enttäuscht worden.
Trotzdem in manchen Fabriken mit Hochdruck gearbeitet wird,
werden die Arbeiter mit Hungerlöhnen abgespeist. So zahlt
die Firma C. Großmann den Angestellten und Meistern bis-
her nur zwei Drittel ihres Gehaltes aus, trotzdem diese Firma
Kriegsaufträge hat und ihre Leute voll beschäftigt. Auch ist
den Beteiligten mitgeteilt worden, daß die sonst übliche Weih-
nachts-Gratifikation in diesem Jahre nicht zur Auszahlung ge-
langen könne, weil das die Lage des Geschäftes nicht gestatte.
In keiner Weise nachahmenswert ist auch das Verhalten der
„Westdeutschen Großdruckerei“, in der die „Walder
Zeitung“ und der „Solinger General-Anzeiger“ gedruckt wer-
den. Diese Druckerei kündigte bei Kriegsausbruch sämtlichen
Arbeitern und Arbeiterinnen und ließ sie ohne Einhal-
tung der Kündigungszeit aufhören, ohne ihnen
den Lohn für diese Zeit auszubezahlen. Als die Arbeit wieder
einsetzte, wurden den Arbeiterinnen, ohne diese gehört zu
haben, bei voller Arbeitszeit 6-7 Mark pro Woche von dem
früheren Lohn (13-15 Mark) abgezogen. Heute betragen
die Abzüge bei den Arbeiterinnen noch bis zu 5 Mark. Dabei
ist eine planmäßige Antreiberei eingetreten, so daß
ein ruhiges Arbeiten unmöglich ist. Kürzlich hat man den 
Arbeitern das Aufschütten von Kaffee unter
Strafe der Entlassung „verboten“. Man
glaubt in der jetzigen Zeit der Arbeiterschaft
alles bieten zu können. Jetzt, wo jeder Opfer bringt
sollen die Arbeiter noch besonders geschröpft
werden.