Stadtarchiv Düsseldorf, “Tagebuch Willy Spatz” 1914-1919. 0-1-23-41.0000
Alle Scans zum Tagebucheintrag vom 2. Oktober 1914
Willy Spatz (1861-1931) war Professor an der Kunstakademie Düsseldorf.
Freitag, d. 2. Oktober.
Amtlich berichtet das Gr. Hauptquartier: „Am 30. Sept. wurden die Höhen von Roye u. Fresnoy (Nordwestl. v. Noyon) den Franzosen entrissen. Südöstl. v. St. Mihiel wurden am 1. Oktober Angriffe von Toul her zurückgewiesen. Die Franzosen hatten dabei schwere Verluste. Der Angriff auf Antwerpen schreitet erfolgreich fort.“
Besonders die letzte Mitteilung ist es, die die Gedanken weiterspinnen läßt bis zum entgültigen Fall Antwerpens! Es wird selbstverständlich nicht zu verhindern sein, daß die berühmten Kunstwerke, an denen Antwerpen ja überreich ist, in Mitleidenschaft gezogen werden können u. daß man bei dieser allerdings höchst-traurigen Gelegenheit wieder von den „deutschen Kunstbarbaren“ sprechen wird. Schon heute wird aber mitgeteilt, daß die Belgier bereits die Kirchtürme Antwerpens für ihre Kriegszwecke dienstbar gemacht haben, in dem sie dort Beobachtungsposten einrichteten u. Maschinengewehre aufpflanzten. Der Rotterdamer Maasbote meldet, daß auf dem Turm der Frauenkirche Maschinengewehre u. ein Funkenturm aufgestellt sind.
Wie die Deutschen aber bemüht sind, die Kunstdenkmäler zu schützen, erfahren wir aus Folgendem: bei dem Kampf um Mecheln hatte die schwere Artillerie des deutschen Heeres den ausdrücklichen Befehl erhalten, nicht auf die Stadt zu schießen, damit die Kathedrale geschont werde. Die Belgier selbst aber warfen aus Fort Wilhelm nördl. v. Mecheln schwere Granaten in die von den Deutschen Truppen besetzte Stadt. Ferner: Das Kommando der Antwerpen belagernden Deutschen Truppen hat behufs Verständigung der belgischen Regierung dem amerikanischen u. dem spanischen Gesandten in Brüssel mitgeteilt: „Soweit die Militärbehörden Belgiens sich verpflichten, Kunstdenkmäler, insbesondere Kirchtürme, nicht für militärische Zwecke nutzbar zu machen, sind die deutschen Belagerungstruppen bereit, diese Bauten bei einer Beschießung tunlichst, das heißt insofern es bei der ungeheuren Sprengwirkung der modernen Geschütze möglich ist, zu schonen. – Ob wir Deutsche wohl diese Feinfühligkeit bei den Gegenern erlebt haben würden, wenn sie in unser Land gekommen wären? Wir brauchen doch nur an Mélat und Consorten zu denken.
Zu diesen Fragen hat eine Protestversammlung der Associazione artistica internationale in Rom Stellung genommen, indem sie u. a. gegen die Zerstörung von Löwen, Mecheln u. Reims protestierte u. folgende Tagesordnung annahm: „Der Schutz, der dem roten Kreuz gewährt wird, werde von den internationalen Abmachungen auch den Kunstdenkmälern zugebilligt. Man protestiere gegen die Beschießung gotischer Baukunstwerke u. appeliere nicht nur an neutrale Mächte, sondern auch an Deutschland, damit es diese Monumente respektiere, die nicht einem
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Volk, sondern der ganzen Menschheit angehören. –
Die Nordd. Allg. Zeitung [Nordeutsche Allgemeine Zeitung] bemerkt: „Die Angehörigen der Associazione artistica internationale verkennen durchaus die Situation. Die möglichste Schonung von Baudenkmälern ist ein von jeder Kulturnation anerkanntes Gebot u. wird außerdem durch die internationalen Vereinbarungen den Belagernden u. Beschießenden allgemein zur Pflicht gemacht. Die Deutschen Truppen sind mit der größten Schonung demgemäß verfahren, wie insbesondere das inmitten von Häusertrümmern wohlerhaltene Rathaus von Löwen beweist. Voraussetzung ist aber, daß solche Bauwerke nicht gleichzeitig zu einem militärischen Zweck Verwendung finden. Es ist amtlich festgestellt worden, und die Franzosen haben dem nicht zu widersprechen gewagt, daß die Kathedrale v. Reims unter dem Schutz der weißen Flagge als militärischer Beobachtungsposten benutzt, richtiger: mißbraucht worden ist. Nicht die Deutschen, sondern die Franzosen haben also gegen Recht u. Kultur gehandelt. Die Herren von der Associazione artistica internationale hätten ihre Entrüstung an die französische Adresse richten sollen, und, was Löwen u. Mecheln betrifft, an die belgische. Wir Deutsche lehnen ihren Protest ab. – Es finden sich aber auch in Italien Stimmen, die gegen die Uebertreibungen, besonders gegen die Reims-Hetze, Stellung nehmen u. die Deutsche Kultur gegen den Vorwurf der Barbarei verwahren. So schreibt der frühere Unterstaatssekretär Alfonso Lucifero: „Zunächst müsse man verbieten, daß Städte mit besondern Baudenkmälern befestigt würden“, dann könnten sie auch nicht mehr beschossen werden. Man könne nicht verlangen, daß
wenn man Geschütze unter dem Schutze von Baudenkmälern aufstellt, der Feind die feindlichen mörderischen Batterien aus Verehrung für die Schönheit des Baudenkmals schone. Wir wollen hoffen, daß sich viele Stimmen ebenso einsichtsvoller Männer erheben werden, wenn Antwerpen etwas begegnen sollte! –
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Stadtarchiv Düsseldorf (2. Oktober 2014). 2. Oktober 1914. 1914-1918: Ein rheinisches Tagebuch. Abgerufen am 6. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/cm42