Stadtarchiv Düsseldorf, “Tagebuch Willy Spatz” 1914-1919. 0-1-23-57.0000
Alle Scans zum Tagebucheintrag vom 14. Februar 1917
Willy Spatz (1861-1931) war Professor an der Kunstakademie Düsseldorf.
Mittwoch, den 14. Februar.
Nichts liegt mir ferner, als in den folgenden Zeilen einen Unwillen über unsere Ernährungsverhältnisse zum Ausdruck zu bringen, ein Miesmachergesicht aufzusetzen oder gar mich beklagen zu wollen. Ich weiß, wir müssen durchhalten und das tun wir auch. Aber selbst das höchste Kriegsamt kann es mir nicht übel nehmen, wenn ich einmal darüber kurz schreibe, wie mir die tägliche Ernährung bekommt. Da muß ich ehrlich gestehen: nicht sonderlich. Das ist auch sehr erklärlich. Oft fragen wir uns scherzend gegenseitig: Weißt
du, was Milch ist, weißt du was Käse ist, weißt du, wie ein Ei, das du als erstes Wort in deiner frühesten Schulzeit-Kindheit abgebildet sahest und danach schreiben lerntest? Weißt du, was Kartoffeln sind? Hast du noch eine Erinnerung daran, wie Fleisch oder Wurst schmeckt? Die 200 gr. Fleisch, die einem wöchentlich zugebilligt werden, sind unter Umständen eher ein Qual wie ein Genuß! – Täglich mit geringer Abwechselung Hafergrüzsuppe (was ist eigentlich Erbsen-, Bohnen- oder Linsensuppe?) und danach Steckrüben oder Weißkohl, dazu manchmal vielleicht 4 Kieler Sprotten, das sind Nahrungsmittel, die wirklich keine Kräftigung geben. Die Wirkung dieser Speisen ist bei vielen Freunden wie bei mir: man hat ständig ein kollerndes Gefühl der Leere im Magen; ja ich erlebe mache Tage, wo ich von einem starken Schwindelempfinden gefaßt bin, wo ich unter völliger Energielosigkeit leide, wo ich müde und schlapp zum Umfallen bin. Alles, was sich überhaupt nur kauen läßt u. von dem Kriegsernährungsamt frei gegeben ist, ist allerdings in Konservenbüchsen zu erhalten. Aber zu welchen Preisen! Dabei ist oft das Blech der Büchse, das man aber leider nicht essen kann, das beste vom Ganzen. Dazu muß man häufig lange Zeit in ungeheizten Räumen wegen des übergroßen Kohlenmangels sitzen. Die Dunkelheit auf den
Straßen, auf denen nur hier u. da eine Laterne brennt und die stellenweise zu ekelerregenden öffentlichen Bedürfnis-Anstalten geworden sind, trägt auch nicht zur Hebung des Mutes und der herabgesunkenen Frische bei. Das hat vor einigen Monaten keiner geahnt, daß es so kommen würde, daß die Kosten zur Lebensführung zehnmal so groß geworden sind und daß zum Leben selbst noch nicht einmal ein Zwanzigstel des Früheren zu erhalten ist. Ob wir das lange werden aushalten können? –
[Artikel „Der amtliche Tagesbericht.“ / Artikel „Lebhafte Lufttätigkeit im Wardartal.“ / Artikel „Artilleriekampf an der Tigris-Front.“]
Ueber die Spannung mit Amerika finden wir auch heute nur ganz wenig in den Zeitungen. Es heißt da: „Die Frankfurter Ztg. meldet aus New York vom 12. Febr.: Staatssekretär Lansing sagte am Samstag auf einem Bankett: Wir dürfen die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, daß wir dicht
1999
[Artikel „Der uneingeschränkte Tauchbootkrieg in vollem Gange.“ / Artikel „Heftiger Feuerkampf nördlich der Somme.“ / Artikel „Erfolgreiche Handstreiche an der Tiroler Front.“ / Artikel „Schwere Verluste der Engländer am Tigris.“]
vor dem Kriege stehen, aber die Hoffnung ist allgemein, daß es dem Lande erspart bleibe, in einen Konflikt hineingetrieben zu werden. Es ist auch der Wunsch und das Bestreben der Regierung, den Frieden zu erhalten.“ – Die Zeitung bemerkt dazu: „Dazu bedarf es nur des ehrlichen Willens der Regierung in Washington.“ – Inzwischen laufen jetzt die Nachrichten über die Erfolge des uneingeschränkten U-Bootkriegs ein, die staunenerregend sind. Es heißt da, daß ein rückkehrendes U-Boot im Atlantischen Ozean zehn Schiffe mit 19000 Tonnen Gesamtraumgehalt versenkt habe.
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Stadtarchiv Düsseldorf (14. Februar 2017). 14. Februar 1917. 1914-1918: Ein rheinisches Tagebuch. Abgerufen am 7. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/cpzk