Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 17. Juli 1915

Die Spitzen von Sozialdemokratischer Partei und freien Gewerkschaften protetsieren gegen den Lebensmittelwucher im Deutschen Reich und fordern „mäßige Höchstpreise für alle Lebensmittel“.

     Gegen den Lebensmittel-
                      wucher!
   Immer schwerer lastet die allgemeine Teuerung auf den
ärmeren Volkskreisen. Die Preise für Fleisch sind unter rück-
sichtsloser Ausnutzung der durch die Schweine- und Schlacht-
vieh-Knappheit geschaffenen Konjunktur um fast 100 Prozent
gesteigert worden und steigen weiter. Weiteste Kreise besonders
unserer schwer arbeitenden Bevölkerung wurden dadurch vom
Genuß dieses so wichtigen Nahrungsmittels fast völlig ausge-
schlossen. Auch alle andern Lebensmittel, besonders die als
Ersatz für Fleisch angepriesen, wie Gemüse, Fische, Eier,
Milch, Butter, Käse, Zucker sind ungewöhnlich teuer und steigen
noch fortgesetzt im Preise. Auf dem Kartoffelmarkt macht sich
wieder der unerhörteste Wucher geltend. Die zwecks Preis-
treiberei monatelang zurückgehaltenen Kartoffeln mußten im
Frühjahr auf den Markt gebracht werden und gelangten zu
niedrigen Preisen in den Besitz der Händler. Diese halten nun
erneut ihre Vorräte zurück und geben sie nur zu Preisen ab,
die die Einkaufspreise um 200 bis 300 Prozent übersteigen.
   Nunmehr ist noch bekannt geworden, daß der Bundesrat
die Höchstpreise für Getreide, die schon 30 bis 40 Prozent höher
als im Frieden sind, erhöhen will. Also auch das Brot, dieses
allerwichtigste Nahrungsmittel, soll dem Volke noch mehr ver-
teuert werden. Das muß in den weitesten Volkskreisen Ent-
rüstung auslösen.
   Wir fordern, daß ohne Rücksicht auf die Profitinteressen
der Produzenten und Händler mäßige Höchstpreise
für alle Lebensmittel festgesetzt werden, die so zu
bemessen sind, daß die ausreichende Ernährung
des Volkes gesichert und jede Bereicherung auf
Kosten der Volksernährung ausgeschlossen wird. Durch Be-
schlagnahme und Verkaufszwang muß das Zurückhalten von
Vorräten zum wecke der Preistreiberei vereitelt werden.
   Die Parteigenossen im Lande fordern wir auf, dem Lebens-
mittelwucher mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln ent-
gegenzuwirken. Vor allem müssen die Arbeitervertreter in den
Landtagen und Gemeinden ihren ganzen Einfluß einsetzen, um
die Versorgung des Volkes mit Lebensmitteln zu erschwing-
lichen Preisen sicherzustellen.
   Berlin, den 16. Juli 1915.
                                    Der Parteivorstand.
      Die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands.