Stadtarchiv Düsseldorf, “Tagebuch Willy Spatz” 1914-1919. 0-1-23-48.0000

Alle Scans zum Tagebucheintrag vom 11. Mai 1915

Willy Spatz (1861-1931) war Professor an der Kunstakademie Düsseldorf.

Dienstag, den 11. Mai

[Artikel „Amtlich wird verlautbart“ / Artikel „Die oberste Heeresleitung teilt mit“]

In der Haltung Italiens herrscht noch dieselbe düstere Ungewissheit u. Unsicherheit, die sich in den Zeitungsberichten widerspiegeln. So lesen wir: „Italien wird seine ganze Stoßkraft gegen die Türkei richten, ohne zu ahnen, daß es damit nur der Narr u. Satellit von England wird. Wenn Italien der Türkei den Krieg erklärt, so ist damit ein so ernstes Moment u. ein so wichtiger Wendepunkt in diesen Kriege eingetreten, dass es Torheit wäre, die fundamentale Bedeutung zu unterschätzen, welche der Verrat des ehemaligen Bundesgenossen auch für Deutschland u. für den endgültigen Ausgang des Krieges tatsächlich hat. Wir in Deutschland wollen es keinen Augenblick

vergessen, dass seit Beginn des Krieges kein gefährlicherer Augenblick u. keine gewaltigere Gefahr gegen uns in die Erscheinung getreten ist, als Italiens Absage an die Interessen der Zukunft von Europa. Das Trentino ist zunächst Nebensache. Die Gefahr dagegen besteht, dass Italiens See- u. Land-

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macht griechische Inseln u. selbst Teile von Griechenland’s Küste gewaltsam besetzt u. eine erdrückende Heeresmacht gegen die Dardanellen schleudert u. dasjenige siegreich ausführt, was England, Frankreich u. Russland zusammengenommen unfähig gewesen sind zu erreichen: die Eroberung Konstantinopels. Heute spielt sich in Rom u. in der Entscheidung seines Königs ein Stück Weltgeschichte ab.“ – Dagegen heißt es weiter an anderer Stelle: „Eine Regierung, die Italien heute in den Weltkrieg führen wollte, gehöre ins Irrenhaus.“ – Wenige Zeilen später lautet es: “daß der Krieg unwiderruflich sei“ – So werden wir von einer Empfindung in die andere geworfen u. es bleibt nur das Gefühl des Ungewißen! – Ein Drahtbericht aus Berlin sagt endlich „Für uns heißt es also nach wie vor: abwarten was wird, mit derselben Ruhe abwarten wie bisher, aber auch mit derselben Entschlossenheit, die bislang aller Zwischenfälle, die uns getroffen haben, Herr geworden ist u. alle Entschließungen, die wir gefasst haben, ausgezeichnet hat.“ – Obschon wir fest auf unsere gerechte Sache u. deren gute Zukunft vertrauen, so fällt es uns doch schwer, diese gewünschte Ruhe zu finden! – Von Paul erhielten wir gestern die zurückgesandten Zivilkleider, die bereits am 3. Mai in Offenburg aufgegeben waren, zugleich einen Brief mit fesselndem Inhalt, der uns unter anderem die Mitteilung brachte, dass sie bereits einen Marsch von 15 Kilometern gemacht hätten, dass sie bald das Gewehr erhalten würden u. dass er das erste Paket vom 3. Mai empfangen habe. Diese Mitteilung war für meine arme Frau eine schwere Entlastung ihres bedrückten Gemüts, das sich in einigen ihrer Bemerkungen kennzeichnet. So äußerte sie sich: „Es ist mir, als wenn ich irgendwohin fahren müsste u. weiß doch nicht wohin.“ u. ferner: „Ich bin nicht mehr ich selbst, ich bin nur noch Mutter“ – Es tut so wohl, wenn in die düstere Zeit durch Zufall ein Strahl Humor hinein scheint. Meine Frau hatte in der Westfälischen Volkszeitung in Paderborn ein Dienstmädchen gesucht u. darauf aus – Russland, im Schützengraben, auch ein Angebot auf einer

Feldpostkarte erhalten. Diese Karte hatte unser Sohn Walter vorgestern nach Krefeld mitgenommen, meine Frau war gestern zusammen mit Frl. Koch aus Ahrweiler nach dort gefahren, um unter anderem die Karte bei Walter wieder abzuholen. Ihr launiger Inhalt ist folgender: „Auf Ihrer Suche nach einem Dienstmädchen empfehlen wir uns als solche; sämtlich im Putzen, Waschen, Kochen u. Flicken erfahren. Können aber erst nach Friedensschluß die Stelle antreten. Teilen Sie bitte mit, ob dann die Stelle noch zu haben ist.
Hochachtungsvoll
(folgen vier Unterschriften)
Auf diese Karte soll eine Antwort an die Vier ergehen ungefähr des Inhalts: „Gerne werden wir auf ihr Anerbieten zurückkommen obgleich wir eigentlich ein Dienst-Mädchen suchten u. keinen Dienst-Mann. Nicht nur allein aus ihren Vornamen entnehmen wir, dass sie Männer sind, sondern auch aus den Telegrammen, die uns immer berichten, dass sie ganze Männer sein müssen – sonst würden sie die Russen nicht so verhauen. Wir würden uns sehr freuen, wenn sie nach Friedensschluss als „ganze“ Männer wieder heimkehren u. sich gemeinsam, alle vier, bei uns vorstellen würden.“ –
Wenn noch ein solcher Humor in unseren Truppe steckt, dann ist es um sie gut bestellt. Und wir sollten uns an unseren wackeren Kerlen ein Beispiel daran nehmen: Selbst in den ernstesten Lagen nicht den Humor zu verlieren!

[Oben genannte Feldpostkarte mit Bewerbung]

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[Karikatur „Die Engländer vor den Dardanellen“]

[Karikatur „Im Schutz der Kathedrale“ / Karikatur „Eine Begegnung im Himmel“]

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[Karikaturenserie „Keine Ahnung von Theorie!“]

[Karikatur „Kriegs-Bilderbogen.“ / Karikatur „Himmlisch“]

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[Karikatur „Vor der letzten Runde.“]

[Artikel „Kriegsworte.“]

[Karikatur „Die haushälterische Britannia“]

[Karikatur und Gedicht „Der Neuköllner im französischen Quartier.“ / Humoristischer Text „Whiksy.“ / Karikatur „Englische Vaterlandsverteidiger“ / Gedicht „Die ethische Forderung“ / Gedicht „Allerlei Denkzettel.“ / Karikatur „Es rast der See…“]

[Karikatur „Sodom.“]