Kreisarchiv Euskirchen, Unterhaltungsblatt und Anzeiger für den Kreis Schleiden und Umgegend (Amtliches Kreisblatt) vom 22. Dezember 1915

Worte zur zweiten Kriegsweihnacht in Deutschland

Die zweite Kriegsweihnacht.
Es ist nicht Deutschlands Wille, daß der Donner
der Geschütze auch in diesem Jahre noch in das Ge-
läut der Weihnachtsglocken hineinbrüllt und die Engels-
botschaft „Friede auf Erden!“ in ihr Gegenteil ver-
kehrt. Der blindwütige Haß unserer Feinde, die
unter völliger Verkennung der Tatsachen unter allen
Umständen Deutschlands Vernichtung herbeiführen
Trachten, versagt der Welt auch zum diesjährigen
Weihnachtsfeste den heiß ersehnten Frieden. Und so
heißt es denn weiter kämpfen und nicht müde werden,
bis der endgültige Sieg errungen und die Grundlage
geschaffen ist für einen ehrenvollen Frieden, unter
dessen Schatten Kinder und Enkel wieder aufbauen

können, was der Krieg in Trümmer schlug, und das
Werk vollenden, zu dem Deutschlandberufen ist. Man
hat uns Herrschsucht und Eroberungslust vorgeworfen,
man hat einen deutschen Militarismus konstruiert und
ihn verantwortungsvoll zu machen gesucht für den
Weltbrand. Aber die Völker der ganzen Erde werden
es erkennen und haben es zum großen Teil bereits
offen und ehrlich bekundet: Deutschlands Stärke ist
das Friedensbollwerk Europas gewesen, Deutschlands
Stärke wird nach der Beendigung dieses furchtbarsten
aller Kriege die Hüterin und Schirmerin des Friedens
und der Gerechtigkeit auf Erden sein.
Reinen Herzens feiert unser deutsches Volk, im
Geiste vereint mit seinen Lieben fern im Feindesland,
das Weihnachtsfest. Es weiß, das es sein scharfes
starkes Schwert nur zur Befestigung des Friedens
führt, und daß es mit der ihm aufgenötigten Fort-
setzung des Kriegs in dem Dienste der Weihnachts-
botschaft steht. Unsere Feinde, die an Thaten so arm,
an Lügen so reich sind, mögen fortfahren uns zu ver-
leumden und uns Motive und Absichten unterstellen,
von denen unser Herz nie etwas gewußt hat; sie
werden an ihren Verleumdungen ersticken. Gottes
Finger, der im Laufe der Weltgeschichte auch dem
blöden Auge auf Schritt und Trott erkennbar ist,
hat sich auch in diesem Kriege deutlich bewiesen und
verhilft der gerechten Sache zum Sieg. Wer hätte
angesichts der zahlenmäßigen Ueberlegenheit unserer
Feinde und deren Unterstützung mit Munition durch
die ganze Welt die großartigen Erfolge für möglich
gehalten, die wir bisher errungen haben, und die wir
bis zum schließlichen siegreichen Ende davonzutragen
gewiß sein dürfen. Der Kampf war auf allen Kriegs-
schauplätzen mit dem Siege unserer Waffen ver-
bunden. Wir dürfen Weihnachten feiern als die
Glücklichen, selbst da, wo ein lieber Angehöriger auf
blutiger Wahlstatt uns entrissen ward. Die große
Familie des gesamten deutschen Volkes hat stark und
unerschütterlich allen Stürmen standgehalten und
triumphiert über alle ihre Feinde.
Wir dürfen frohlocken und fröhliche sein unter dem
deutschen Christbaum. Zu diesem erlesenen Recht
gesellt sich jedoch die heilige Pflicht, die ernster und
eindringlicher denn je am diesjährigen Weihnachtsfeste
zu uns spricht und die uns höhere Aufgaben und
Ziele weist als die anspruchslosere Friedenszeit. Jeder
Deutsch , ob alt oder jung, ob Mann oder Frau, hat
die heilige Flamme zu schüren, die dieser Krieg ent-
facht hat, und sich unablässig in den Tugenden zu
üben und zu stählen, die den Menschen erst zum
Menschen erheben und ihn zu dem Ehrentitel eines
solchen berechtigen. Wer nur die geschriebenden Para-
graphen des Gesetztes respektiert, ist noch lange nicht
der Mann, den das neue Deutschland fördert, noch
lange nicht die Frau, wie sie nach der durch den
Krieg erfolgten größeren Umwertung aller Werte sein
soll und muß. Die ungeschriebenen ewigen Gesetze
unseres Gewissens, die Reinheit der Gesinnung, die
brüderliche Liebe zu dem Nächsten, die der Gottes-
sohn verkündete, die müssen wir aufnehmen und in uns
ausgestalten, damit wir würdig werden der großen
Taten, die auf den Schlachtfeldern vollbracht wurden;
der großen Zukunft, die unserem geliebten Vaterlande
bevorsteht. “Nehmt die Gottheit auf in euren Willen,
 – Und sie steigt von ihrem Weltthron!”. In diesem
Sinne wollen wir Weihnachten feiern, auf daß mit
dem wachsende Licht des Tages Deutschlands Licht
steige und wache und eine Leuchte werde auf Erden.