Stadtarchiv Düsseldorf, “Tagebuch Willy Spatz” 1914-1919. 0-1-23-48.0000

Alle Scans zum Tagebucheintrag vom 8. Mai 1915

Willy Spatz (1861-1931) war Professor an der Kunstakademie Düsseldorf.

Samstag, den 8. Mai

[Artikel „Der amtliche Tagesbericht.“]

Ueber die Haltung Italien´s bringen die Zeitungen teils recht beunruhigende, teils etwas hoffensbessere Abhandlungen, die aber alle weder Fisch noch Fleisch sind u. uns dadurch in erklärlich hohe Aufregung versetzen. Jedoch scheint die Kriegslust, dank der großen französischen u. englischen Verhetzungen durch die Presse, eine recht große zu sein. Man ersieht es aus folgenden Zeitungsmitteilungen: „Der Transport der einberufenen Klassen nach der Nordostgrenze dauert ununterbrochen fort.“ Ferner schreibt die Kölnische Volks-Zeitung: „Da, wie inzwischen bekannt geworden ist, die letzte schroffe u. zweifellos kriegerische Note Italiens in einem Augenblick abgesandt

wurde, als von oesterreichischer Seite ein neues, ungemein weit entgegenkommendes Anerbieten abgegangen war, so ist auch jetzt noch nicht jede Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Verhandlungen auf Grund des letzten oesterreichischen Vorschlages ausgeschlossen“. Ferner berichtet die Kölnische Zeitung: „Der Stand der italienisch-oesterreichischen Frage ist heute unverändert, das heißt, es dauert eine gespannte Lage an, ohne daß man genötigt wäre, sie als aussichtslos zu bezeichnen. Sache der nächsten Tage wird es wohl sein, Klarheit darüber zu schaffen, daß die bisher nicht unterbrochenen, aber kritisch gewordenen Verhandlungen wieder in ruhigere Bahnen einlenken.“ Die drückende politische Gewitterschwüle ist unheimlich, sie nimmt

von all unserem Denken Besitz! Und dabei bringt die Sonntagebeilage einer Zeitung Bilder wie: zwei „Feldgraue beim Strümpfestopfen“ (!) oder „ein Plauderstündchen mit flandrische Spitzenklöpperinnen“, Bilder, die in einer so hoch-ernsten u. schweren Zeit, wo so viel auf dem Spiele steht, gradezu albern oder kindisch wirken. Ich legte sie rasch beiseite – ich konnte sie nicht sehen! – Gestern Abend schon waren diese Mitteilungen über Italien´s Haltung zum Teil erschienen, u. besprachen wir sie in gedrückter Empfindung, als wir uns, meine liebe Frau mit Frau Althoff u. ich, im Gasthof vom Düsseldorfer Schloß Burg trafen. Unsere Unterhaltung verlief denn auch ziemlich einsilbig – jeder war mit seinen eigenen Gedanken zu sehr beschäftigt. Nach Hause angekommen fanden wir eine Karte von Paul vor, der wiederholt um die Zusendung von Strümpfen u. Unterzeug bittet. Es hat also das erste unserer Pakete, das bereits Montag mit dem gewünschten Inhalt an ihn abging, immer noch nicht erhalten! Er nimmt Bezug auf den Inhalt einer Karte von meiner lieben Frau, die 20 Stunden nach einer Benachrichtigung von mir abging, die er demnach noch nicht erhalten hatte. Wie schlecht sorgt doch die Post für die jungen Rekruten, die, ohne weichherzig zu sein, doch noch mit so vielen Fasern an ihrer fernen Heimat hängen! Wie schlecht sorgt die Militärverwaltung bei der Aufnahme der jungen Leute, daß sie noch nicht einmal genügend zu essen bekommen, von anderem ganz zu schweigen! Mit welch’ freudiger, heller Vaterlandsbegeisterung zogen sie aus! Wie es jetzt in ihrem Inneren aussehen mag ist unschwer zu erraten – Und dabei ein solcher Frühling in der Natur! Man meint ja wohl bei jedem Frühling, daß er wohl der schönste sei, den man erlebte – aber in diesem Jahr ist er wohl wirklich der allerschönste! Alles sprießt, grünt, blüht u. duftet, getrieben durch die segensreichen Platzregen der letzten Tage! Ein wahrer Goldregen strömte herunter für die Landleute und Gärtner, die ihre lebenden Pflanzen u. Blumen verkaufen, der auch zugleich ein Goldregen war für die Damen-Hutmacherinnen, die die durch den Regen verdorbenen Hüte mit neuen künstlichen Pflanzen u. Blumen versehen müssen –

Damit unser Junge weiß, woran er ist u. nicht denkt, man habe ihn zu Hause ganz vergessen, da er mit Ausnahme einer Karte noch keine Postsendung erhielt, sah ich mich veranlaßt, ein Telegramm heute früh an ihn anzuschicken des Inhalts: „Seit Montag drei Pakete mit Gewünschtem unterwegs“ – Dies Telegramm wird doch wohl hoffentlich heute noch in seine Hände gelangen u. seinen etwa gesunkenen Mut wieder heben –

[3 gedruckte Fotos (Filmszenen aus „Salambo“)]

[Karikatur „Standpauke“]

[Karikatur „Aus einer englischen Kulturgeschichte“]

[Karikatur „Friedensaktion des Papstes“]

[Karikatur „Verkehrstörung“ / Gedichte: „An den Frühling 1915“ / Gedicht „Reitertod.“]

[Grafik und Gedicht „Kriegstrauung“]

[Karikatur „Alles Böse kommt von oben!“ / Humoristischer Text „Die angemessene Todesart“ / Humoristischer Text „Churchill, Asquith & Kitchener GmbH“ / Humoristischer Text „lustige Nachricht“]

[Karikatur und Gedicht „Der Sieg in Westgalizien“]

[Grafik und Gedicht „Matrosenlied“]

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[Grafik und Gedicht „Weddigens Grab“]